Der Ikonenmaler Besuch bei dem Mann, der für die orientalische Christengemeinde in Wuppertal die Ikonen malt.

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Text: Lutz Debus
Bilder: Christoph Schönbach

Er trägt einen grünen Pullover. Den Gast begrüßt er freundlich. Will sein Lächeln seine traurigen Augen verbergen? Shadi Hassrouni ist vierzig Jahre alt. Über ein Jahr schon ist er in Deutschland. Seitdem hat er seine Frau und seine Söhne nicht mehr gesehen. Noch immer leben diese in Syhnaya, einer kleinen Stadt in der Nähe von Damaskus. „Manchmal ist es dort gefährlich“, erklärt Hassrouni. Sein Deutsch ist dafür, dass er erst so kurz hier ist, schon ganz passabel. Bei den komplizierteren Antworten helfen seine Schwester und sein Schwager beim Übersetzen. In deren Wohnung sitzen wir jetzt auch.

Natürlich mache er sich Sorgen. Als er das Foto von seiner Frau mit dem sieben Jahre und dem 11 Monate alten Kind auf dem Display seines Smartphones zeigt, muss er schlucken. Al Nusra ist eine Terrormiliz ähnlich dem IS. Diese wütet in jener Region, in der die drei abgebildeten Menschen auf die ersehnte Ausreise nach Deutschland warten. Aber Shadi Hassrouni ist in Deutschland nur geduldet. Deshalb kann er keinen Antrag auf Familienzusammenführung stellen. Es wird vielleicht Jahre dauern, bis er seine Frau und seine Söhne wiedersehen kann.

Shadi Hassrouni bei der Arbeit
Bei der Arbeit ist Shadi Hassrouni konzentriert, im Gespräch schenkt er einem ein offenes Lachen.

Früher, vor dem Krieg, gab es keine Probleme zwischen den verschiedenen Gruppen, erklärt der Schwager von Shadi Hassrouni. Jorios Alsioti lebt mit seiner Frau schon über drei Jahre in Deutschland. Der studierte Ingenieur arbeitet als Elektroinstallateur in einem kleinen Betrieb. In dem kleinen hessischen Städtchen Schlüchtern, indem er nun mit seiner Frau lebt, engagiert er sich in der „Palmeragruppe“. Die Gruppe, die sich nach der alten antiken Stadt auf syrischem Staatsgebiet genannt hat, setzt sich für ein friedliches Miteinander verschiedener syrischer Bevölkerungs- und Religionsgruppen ein und möchte die Integration der syrischen Flüchtlinge in der Region voranbringen. „Mein Schwager Shadi ist eine tragende Säule in dieser Gruppe“, schwärmt Jorios Alioti. Bei einem Kulturfest auf dem Marktplatz spielte er die Oud, die orientalische Kurzhalslaute. Um das Gesagte zu untermauern, wird das filigrane Instrument ausgepackt. Shadi Hassrouni stimmt ein Lied an. Die arabischen Klänge muten fremd an in der kleinen Wohnung. Die Möbel sind neu und mitteleuropäisch. Auf der Fensterbank steht ein Bonsai. Natürlich, auch Alioti musste fliehen und ihm blieb wenig von seiner persönlichen Habe. Seine Frau Ranina zeigt eine kleine, mit kunstvollen Intarsien verzierte Holzkiste. Darin befinden sich etliche Kärtchen, auf denen kurze Bibelzitate auf Arabisch gedruckt sind. Auf dem Stapel liegt ein getrockneter Olivenzweig. Mehr Erinnerungsstücke aus der alten Heimat ist dem Ehepaar nicht geblieben. „Wenn der Krieg vorbei ist“, so Ranina Hassrouni, „wäre es schön, wenn Deutsche nach Syrien reisen würden, um dieses kulturell wertvolle Land kennenzulernen.“

Viele nette Menschen habe man hier in Schlüchtern schon kennengelernt, versichert ihr Mann Jorios Alioti. Man habe ihnen sehr geholfen bei der Suche nach Arbeit und Wohnung. „Wir haben unsere zweite Heimat hier gefunden“, sagt Jorios Alioti. Dass seine Frau ihren Familiennamen bei der Hochzeit nicht geändert habe, sei in Syrien selbstverständlich, erklärt Alioti, nachdem er den etwas verwirrten Blick seines Besuchers wahrgenommen hatte.

Ikone auf einem Smartphone
In diesem Fall ist das Kopieren, hier von einer digitalen Vorlage, erwünscht sogar erforderlich. Christusikonen beziehen sich immer auf die Urikone, das als „Christusbild von Edessa“ bekannte sogenannte „Mandylion“.

Dann widmet man sich wieder dem Schwager und Bruder, der der Unterhaltung augenscheinlich nicht immer ganz folgen konnte. Shadi Hassrouni erzählt nun von seinem Leben. Seinem Vater gehörte ein Werkzeugladen, in dem er als junger Mann oft aushalf. Nach dem Abitur studierte er mehrere Jahre Theologie in Damaskus. Den dreijährigen Militärdienst absolvierte er lange vor Beginn des Krieges. Später arbeitete er als Schildermaler. Aber er malte nicht nur Werbetafeln. Seine Leidenschaft galt der Ikonenmalerei. Nicht nur Gläubige aus Syrien und Touristen waren seine Kunden. Er verkaufte seine Ikonen auch an Kirchen. Shadi Hassrouni ist ein religiöser Mensch. Mit Hingabe sang er im Kirchenchor der Heimatgemeinde. Seine Stimme war so prägnant, dass er von einer Kirche in Straßburg eingeladen wurde, auf einem Festival aufzutreten. Diese Chance der legalen Einreise nutzte er, um einen Asylantrag zu stellen. Zu der Zeit glaubte er noch, dass es nicht schwer sei, seine Familie nach Deutschland reisen zu lassen, sobald der Familienvater hier lebt.

Shadi Hassrouni im Atelier
Das Atelier von Angrit Dorste bietet Shadi Hassrouni die Möglichkeit in Ruhe zu arbeiten, er wohnt weiterhin in der Flüchtlingsunterkunft.

Wieder sehen Hassrounis Augen unendlich traurig aus. Wieder versucht er, die Gedanken beiseite zu schieben. Es sei sehr stolz, dass die arabischen Christen in Wuppertal ausgerechnet ihn beauftragt haben, die Ikonen für ihre neu zu gründende Gemeinde anzufertigen. Dann zeigt er die beiden Bilder, die, wie er betont, noch längst nicht fertig sind und somit noch gar nicht vermitteln können, wie sie endgültig aussehen. Von den vier Farbschichten, die eine Ikone benötigt, hat sein Werk erst eine. Viele Gesetzmäßigkeiten der Ikonenmalerei sind zu beachten. „Die Augen müssen groß sein, die Nase lang und der Mund klein.“ Die Buchstaben im Heiligenschein Jesu bedeuten „Ich bin der Gott“. Das Gewand Jesu sei immer rot. Diese Farbe symbolisiere das Göttliche. Der Umhang darüber sei immer blau und weist damit auf das Menschliche in der Person Christi hin. Das Gold im Hintergrund sei das Symbol für Heiligkeit. Im vor ihm stehenden Buch ist der Satz „Ich bin der brave Hirte“ zu erkennen. Die Kunst der Ikonenmalerei, so Hassrouni, folge strengen Regeln, die unbedingt eingehalten werden müssen.

Bilder von Shadi Hassrouni
Shadi Hassrouni arbeitet auch an anderen Bildern. Im Hintergrund eine Interpretation von William Turners „Der Schiffbruch“. Eine Szene die an die aktuelle Situation von Flüchtlingen im Mittelmeer erinnert.

Dann zeigt der Syrer andere Bilder. Seit er in Deutschland ist, malt er unablässig. Auf den ersten Blick erscheinen manche Motive sehr lieblich. Drei Pferdeköpfe mit wehenden Mähnen könnten auch in dem Zimmer einer 14-jährigen hängen. Eine Mutter mit ihrem Kind lächelt versonnen, während sich deren Haare zu einer einzigen Woge formen. Ein kleines Baumhaus wird von zerbrechlich dünnen Ästen getragen. Dann aber werden die Themen ernster. Eine Frau schreitet mit ihrem Kind über eine schmale Brücke. Ein Junge hockt traurig vor einem zerbrochenen Tongefäß. Ein kleines Segelschiff droht im wild tosenden Meer zu kentern. Hier wird deutlich, dass ein Künstler versucht, sich die Last von der Seele zu malen. Hält man das Foto von seiner Frau und seinen beiden Söhnen neben diese Gemälde, erkennt man die Augen immer wieder.

Mit seinen Bildern möchte Shadi Hassrouni in einigen Monaten eine Ausstellung machen. Dabei wird ihm die Künstlerin Annegret Droste helfen. Die ältere Dame hat in ihrem Atelier in Schlüchtern eine Ecke für den Mann aus Syrien freigeräumt, damit er in Ruhe malen kann. Wenn es ihm gelingt, die syrische Tragödie in Bilder zu fassen, so wie sich dies in seinen ersten Werken andeutet, so wird von Hassrouni bestimmt noch einiges zu hören sein. Sein großes Problem allerdings kann er selbst nicht lösen. Dazu bedarf es einer behördlichen Entscheidung.

Shadi Hassrouni und Angrit Dorste
Shadi Hassrouni und Annegret Droste in ihrem Atelier „Kunsttreppe 34”

 

Ikonen – zwischen Himmel und Erde

Das Wort „Ikone“ leitet sich vom altgriechischen εἰκών (gesprochen: eikón) her, das übersetzt „Bild“ bedeutet.

Allgemein versteht man unter Ikonen Bilder, die in der Liturgie vor allem der byzantinischen Riten, insbesondere in den orthodoxen Kirchen eine besondere Bedeutung haben. Die liturgische Verwendung und Bedeutung von Ikonen ist bereits seit dem 4. Jahrhundert n.Chr. belegt. Die ältesten erhaltenen Ikonen stammen aus dem 6. Jahrhundert.

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Die meisten Ikonen stellen Christus oder Maria (hier insbesondere sogenannte Theotokos-Darstellungen, die Maria als Gottesgebärerin zeigen) dar. Hinzu kommen vor allem in der Orthodoxie viele Personen des Alten Testamentes und andere Heilige der Kirche. Daneben sind aber auch typologische Gruppierungen wie die Darstellungen der Verklärung oder der Dreifaltigkeit bekannt. Auch Szenen aus dem Leben Jesu (Geburt, Darstellung im Tempel, Taufe usw.) spielen eine wichtige Rolle. Sie bilden in orthodoxen Kirchen den „Kreuzweg“ – im Unterschied zu den Kreuzwegen der Tradition der lateinischen Kirche, der in vierzehn Stationen den Passionsweg Jesu zeigt.

Die Ikonen repräsentieren christliche Glaubenswahrheiten und vergegenwärtigen sie. Nicht die Ikonen an sich werden verehrt, sondern „durch die Ikone“ hindurch wird die dargestellte Glaubenswahrheit verehrt. Die theologische Begründung liegt im Gedanken der Inkarnation: Durch seine Menschenwerdung in Jesus Christus ermöglicht Gott die bildliche Darstellung, wobei Gott Vater weiterhin nicht dargestellt werden kann und darf. Das alttestamentliche Bilderverbot wird also von Gott selbst durch seine Menschwerdung durchbrochen. Die Art der Darstellung ist daher auch nicht beliebig. Der menschgewordene Gottessohn ist gewissermaßen die Urikone, das als „Christusbild von Edessa“ bekannte sogenannte „Mandylion“ bildet den Ausgangspunkt für alle andere Darstellungen. Es gilt als „Nicht-von-Menschenhand-gemachtes Christusbild“, das treu wiedergegeben werden muss. So gesehen sind Ikonen Vermittler zwischen Himmel und Erde, zwischen Gott und Menschen.

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Ikonen sind daher keine Kunstwerke, die als Interpretamente eines Künstlers verstanden werden können. Sie sollen treu die enthaltene Glaubenswahrheit wiedergeben. Ikonen werden deshalb auch nicht gemalt, sondern geschrieben. Das Ikonenschreiben selbst wird spirituell aufgefasst.

Ikonen und die in ihnen enthaltenen Glaubenswahrheiten werden verehrt, indem man sich vor ihnen bekreuzigt, sich verneigt oder sie küsst. Nie wird aber das Gesicht der dargestellten Figur geküsst, sondern lediglich ehrfurchtsvoll begrüßt. Bei aller Verehrung dürfen Ikonen selbst aber nicht angebetet werden, weil die Anbetung nur Gott allein gebührt.

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In den byzantinisch geprägten Liturgien der orthodoxen und der orientalischen Kirchen spielen Ikonen eine wichtige Rolle. So ist in orthodoxen Kirchen der eigentliche Altarbereich durch eine sogenannte Ikonostase vom Versammlungsraum abgegrenzt. Der Altarbereich bildet den himmlischen Bezirk, der durch das Königstor bzw. das himmlische Tor nur von dem in seine liturgischen Gewänder gekleideten Priester betreten werden darf. Die Ikonostase zeigt verschiedene Heiligenikonen. Sie steht für den Himmel, hinter dem sich die Herrlichkeit Gottes verbirgt. 

Vor dem Altarbereich stehen (auch wenn es keine Ikonostase gibt) in den Riten und Liturgien der orthodoxen und orientalischen Riten rechts eine Christusikone und links eine Theotokos-Ikone. Zuerst werden die Gebete in Richtung der Christusikone verrichtet, später in Richtung der Theotokos-Ikone. 

 

Christusikone
Die fertige Ikone. Bild: Shadi Hassrouni

4 thoughts on “Der Ikonenmaler Besuch bei dem Mann, der für die orientalische Christengemeinde in Wuppertal die Ikonen malt.

  • Das ist ja so beeindruckend! ich möchte sehr gerne mal die Kunstwerke sehen! Deine Geschichte macht traurig Dieser verdammte Krieg. Amöne

  • Ich finde diese Seite „der-oelbaum“ eine sehr schöne Seite. Ich finde es sehr beeindruckend wie hier über die Problematik gesprochen wird.
    Bei den arabisch sprechenden Christen ist kein Wort des Hasses, kein Hass zu vernehmen, obwohl so viel an ihnen geschehen ist. Sie leben den christlichen Glauben. Wir West Europäer können und sollten uns daran ein Beispiel nehmen.
    Die Christus Ikone ist wunderschön. Ich freue mich darauf, sie bald in Wuppertal sehen und vor ihr beten zu können.
    In diesem schönen Artikel ist noch ein anderes sehr trauriges Bild zusehen. Eine Szene der Flucht. Es wäre schön, wenn auch dieses Bild den Weg nach Wuppertal fände.
    Geht den Weg mutig weiter. Er wird ein gutes Ende finden.
    Roland

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