Als Weihbischof Dominikus Schwaderlapp Anfang März die Kirche St. Bonifatius für die arabisch-christliche Gemeinde einweiht, ist die Welt noch eine andere. Eine bessere?
Text: Jörg Degenkolb-Değerli
Bilder: Christoph Schönbach
Sonntag, 1. März 2020, 13:30 Uhr: Kollege Christoph Schoenbach und ich geben uns zur Begrüßung nicht die Hand. Ein Gespenst geht um und man solle sich besser nicht zu nahe kommen, heißt es. Der Anlass ist also denkbar schlecht. Wir stehen im Eingangsbereich von St. Bonifatius am Deutschen Ring. Die arabisch-christliche Gemeinde kommt heute hier zusammen – es wird begrüßt, geherzt, umarmt. Dieser Sonntag ist nämlich in doppelter Hinsicht kein normaler: Weihbischof Dominikus Schwaderlapp ist aus Köln angereist, um St. Bonifatius für die arabisch-christliche Gemeinde einzuweihen.
Die Kirche St. Petrus in Wuppertal-Laaken stand der Gemeinde planmäßig für vier Jahre zur Verfügung; diese Jahre sind nun tatsächlich schon vergangen. St. Bonifatius ist ab sofort die Kirche, in der regelmäßig Gottesdienste in arabischer Sprache stattfinden werden. Der Priester des griechisch-katholischen-melkitischen Patriarchats, Mayas Aboud, eröffnet die Zeremonie vor gut 80 Gläubigen – normalerweise ist es feierlich, heute ist es sehr feierlich! Und man denkt trotzdem an dieses Gespenst, ein Virus, während man die Menschen in den Reihen beieinander stehen und sitzen sieht.
Mayas Aboud stimmt die Gläubigen auf den hohen Besuch ein: Die Göttliche Liturgie, eine Prozession durch den Kirchenraum, deutsch-arabische Gesänge, eine Predigt. Schließlich der sehr herzliche Empfang von Weihbischof Schwaderlapp. Jiryis Arraf übersetzt für die Gemeinde, ein sehr freundlicher Umgang ist zu beobachten, es wird gelacht. Als der Bischof eröffnet – „Wir sind aus unterschiedlichen Kulturen, aber in unserem Glauben vereint“ – kann noch niemand wirklich ahnen, dass das menschliche Miteinander ganz bald schon auf eine harte Probe gestellt werden wird.
Bischof Schwaderlapp führt am Beispiel des Philippusevangeliums durch seine Predigt und betont die drei großen Momente Botschaft, Begegnung und Bekenntnis. „Wir haben den gefunden, den Mose und der Prophet angekündigt haben. Jesus Christus ist da!“ Es gehe im Glauben um die Freundschaft zwischen Jesus Christus und einem selbst. Und schließlich um das Bekenntnis: „Du bist der König von Israel. Du bist der Messias!“ Und dieses Bekenntnis sei zu verkünden. „Das bedeutet, auch unsere Feinde zu lieben.“ Keiner kann zu diesem Zeitpunkt wissen, dass der NRW-Ministerpräsident Armin Laschet einige Zeit später in einer Pressekonferenz sagen wird: „Wir haben es mit einem unsichtbaren Gegner zu tun.“ Weihbischof Schwaderlapp weist anhand eines weiteren Beispiels auf das Gewicht der Nächstenliebe hin. „Wir müssen das leben. Liebe Brüder und Schwestern, helfen wir einander!“
Anderen Menschen das Toilettenpapier aus dem Einkaufswagen klauen, ist das Gegenteil von all dem. Wir haben Ende März, sind ALLE von der Corona-Pandemie betroffen und üben uns in Miteinander durch Distanz. Gottesdienste finden wie ein Großteil des Lebens im Internet statt. Oder Priester stehen vor Seniorenheimen und sprechen zu den Seniorinnen und Senioren an geöffneten Fenstern. Dr. Werner Kleine, Pastoralreferent der Katholischen Citykirche, ruft kurzerhand das Video-Journal „Bei Euch“ ins Leben und spricht über Facebook zu den Menschen. Die Situation ist für ALLE komplett neu.
Viele Menschen helfen sich gegenseitig, gehen für Nachbarn oder auch Fremde einkaufen. Manche musizieren oder singen auf Balkonen. Und bis auf die unerträgliche Ignoranz jener, die jeden Tag aufs Neue ihre persönlichen Bedürfnisse über das Allgemeinwohl stellen, ist vieles – wenn auch fordernd – irgendwie mit Hoffnung verbunden. Und: Die vermeintlich großen und lauten Themen wie die Spaltung der Gesellschaft, das Überbetonen kultureller Unterschiede und das Benennen von Sündenböcken treten in den Schatten eines großen Wir.
Insofern waren die von Dominikus Schwaderlapp gewählten Worte näher an allem, was seit vielen Jahrzehnten für die Weltgemeinschaft wesentlich war. Jetzt bleibt es gerade auch für die Zeit nach Corona spannend, inwieweit solche Worte nachklingen oder verhallen.