Text: Jörg Degenkolb-Değerli
Bilder: Christoph Schönbach
8. April 2018, nachmittags: In und um St. Petrus herum herrscht geschäftiges Treiben. Für Vater Fouad Haddad und Mutter Neven Rizq ist es ein großer, ein bedeutender Tag. Noch größer ist dieser Tag vermutlich nur für ihren Sohn George, der in den nächsten Stunden die volle Aufmerksamkeit aller auf sich ziehen wird. Zwei Jahre und acht Monate alt, wird er heute endlich getauft.
„So eine Taufe habe ich in der Katholischen Kirche noch nicht erlebt“, resümiert der Ölbaum-Fotograf Christoph Schönbach nach gut anderthalb Stunden Zeremonie. Und tatsächlich: Die Feierlichkeiten gaben einen beeindruckenden Einblick in die Riten der arabisch-christlichen Gemeinde. Opulent geschmückt das Taufbecken, ein kräftiges Blau (für den Jungen) strahlt in weiß-goldener Umgebung. Gar das Wasser fürs Becken kommt im blauen Plastikeimer – Zufall oder nicht: es passt.
Der Kirchraum füllt sich nach und nach mit festlich gekleideten Gästen; bis zur Zeremonie haben zwischen 50 und 60 Personen Platz gefunden. Es wird sich begrüßt, gelacht und: fotografiert. Nicht nur, dass eine Taufe generell ein großes Ereignis ist – der kleine George Haddad ist zudem mit einer beachtlichen Haarpracht, zum Pferdeschwanz gebunden, erschienen. Geschnitten werden die Haare eines Kindes nämlich zum ersten Mal bei bzw. nach der Taufe. Und dass George noch nicht getauft wurde, ist in der Fluchtgeschichte der Familie begründet; Vater Fouad Haddad, der seit Ende 2015 in Deutschland ist, musste gut zwei Jahre warten bis er seine Frau und seinen kleinen Sohn wieder in die Arme schließen konnte.
Es sind wohl auch eben diese persönlichen Geschichten, die einen solchen Tag in ein noch prachtvolleres Licht rücken als es ohnehin der Fall wäre. In einem Blitzlichtgewitter verewigen Freunde, Familie, Gemeindemitglieder diese bedeutenden Momente. Der Priester des griechisch-katholischen-melkitischen Patriarchats, Mayas Abboud, ist erneut aus Regensburg zum Gottesdienst angereist. Der hochgewachsene, kräftige Mann hat für George ein freundliches, sanftes Lächeln mitgebracht. Zwar soll der Täufling in der Folge noch einige Male in aufgeregtes Schreien und Weinen ausbrechen – Mayas Abboud jedoch gelingt es gemeinsam mit den Eltern und Taufpaten, ihm die Angst zu nehmen.
Wie in den Gottesdiensten am jeweils ersten Sonntag im Monat ertönt in St. Petrus Mayas Abbouds liturgischer Gesang. Gesungen und gebetet wird heute vor allem für George Haddad, der auf dem Arm der Taufpatin zusehends unruhiger wird. Immer wieder tritt der Priester singend und betend nahe an den Jungen heran, lächelt, besänftigt ihn. Die Gemeinde ist erwartungsfroh, und bis zur eigentlichen Taufe steigern sich noch Gesänge, Gebete und Gemurmel. „Diese Zeremonie ist ganz nah am Ursprung des Christentums“, zeigt sich auch Kirchenvorstand Roland Penk beeindruckt. George wird nach altchristlichem Brauch dreimal mit geweihtem Wasser übergossen – was den Jungen, begleitet von Gesängen und schrillen Ausrufen, allerdings einschüchtert.
Es wird insgesamt unruhiger in der Kirche. Zum einen steigt die Spannung, zum anderen wird es einigen Kindern zu lang. Eine priesterliche Aufforderung, bis zum Ende der Zeremonie ruhig zu bleiben, gibt es nicht – sicher ein Unterschied zu hier üblichen Gottesdiensten. Im Gegenteil: Als dem aufgewühlten George nun die nassen Haarspitzen geschnitten werden, wird die Szenerie von den meisten umringt. Man will teilhaben, dabei sein und: fotografieren. Auch als die Gemeinde sich aufmacht, mit Taufkerzen in der Hand durch die Kirche zu prozessieren.
An der Stelle hat sich George – im schneeweißen Taufanzug und mit quasi neuer Frisur – längst beruhigt. Er merkt: Die Menschen sind fröhlich und lächeln. Seine Eltern sind glücklich.
Als sich die Gemeindemitglieder einreihen, um der Familie zu gratulieren, hat der nun Getaufte längst sein souveränes Foto-Lächeln wiedergewonnen. Es werden Taufgeschenke an die Gäste überreicht, natürlich. Etwas Süßes. Und ein gläserner Aufsteller mit einem silbernen Jesusbild. Alles opulent in Blau und Weiß verpackt und geschmückt.
Dann wird selbstverständlich gefeiert.
George Haddad wird einmal erzählen können, dass ihm (mittlerweile mit ganz frischer Kurzhaarfrisur) und seinen Eltern zwei Tage später sogar der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Prof. Dr. Sternberg gratuliert hat. Siehe dazu „Der Präsident des ZdK besucht Wuppertal“.