Text: Jörg Degenkolb-Değerli
Bilder: Christoph Schönbach
„Der Ölbaum“ hat ein neues Logo. Und das aus gutem Grund. War in der Vergangenheit der Buchstabe „ن“, das arabische „N“, Teil des Logos, gab es nach einiger Zeit den Hinweis, dass eben dieses „ن“ überaus negativ behaftet ist. Der Logo-Entwicklung war dabei vorausgegangen, dass das „ن“ häufig als Symbol der Solidarität mit verfolgten arabischen Christen verstanden wird. „Eine falsch verstandene Solidarität“, wie Hilin Prick sagt; sie ist ein wichtiges Mitglied der arabisch-christlichen Gemeinde in Wuppertal und leistet von Beginn an Erste Hilfe für Geflüchtete. Auch ihr Onkel in Mossul wurde Opfer islamistischer Bedrohung. So steht das N nicht einfach nur für „Nazarener“ – wie arabische Muslime Christen bezeichnen – sondern ist „ein Schimpfwort“, wie der Sprecher der Gemeinde, Jiryis Arraf, betont. Und letztlich ist es Hinweis für islamistische Mörder, die Gezeichneten zu töten. „Die Unterdrücker benutzen es, um arabische Christen zu erniedrigen. Es steht für Schande“, sagt auch Pastoralreferent Dr. Werner Kleine, der mit der Katholischen Citykirche und dem Blog „Der Ölbaum“ die arabisch-christliche Gemeinde begleitet. Der Graphikdesigner Christoph Schönbach hatte sich für den „Ölbaum“ zunächst an der vielgeteilten Symbolik orientiert und das „ن“ in das Blog-Logo integriert. „Im Grunde haben wir die Dynamik im Internet aufgegriffen und nicht gewusst, dass es ein Trugschluss ist, den Buchstaben als positives Zeichen von Gemeinschaft anzusehen.“
Die erwähnte „Dynamik im Internet“ muss man so verstehen, dass heute Informationen über keinen medialen Kanal schneller verbreitet werden als eben im Internet, wo es auch die sogenannten Sozialen Netzwerke gibt, über die sich Menschen austauschen. Gehört man z. B. der Facebook-„Gemeinschaft“ an – aktuell nutzen weltweit gut zwei Milliarden (!) Menschen dieses Netzwerk –, kann man dort Informationen veröffentlichen, die ggf. geteilt, also weitergetragen werden – und das oftmals rasend schnell. Beliebt ist es auch, dem eigenen Profilbild, mit dem man sich nach außen darstellt, kurzfristig eine besondere Bedeutung beizumessen. So ist zwar die Zeit der großen Demonstrationen nicht vorbei; wir kennen die Bilder aus dem TV, wenn Menschen sich nach Katastrophen, Attentaten und Anschlägen zusammenfinden, um Mitgefühl und Solidarität mit Betroffenen zu bekunden. Die wahre Demonstration aber findet – wie könnte es anders sein – im Internet statt, in den Social Media wie Twitter und Facebook. Mit einem Klick wird ein Trauer-Emoji – ein trauriges Gesicht – geladen, das Profilbild mit einer Landesflagge hinterlegt oder Zusammenhalt mit Losungsworten wie „Je suis …“ beschworen. Wie in allen Bereichen agiert die Community vor allem auch dabei: schnell. Manchmal zu schnell. Voreilig.
So geschehen auch 2014, nachdem Islamisten in Mossul mit dem Buchstaben „ن“ die Hauswände und -türen von Christen gezeichnet hatten. In Internet-Eile solidarisierte sich die Netz-Gemeinde zunächst im arabischen Raum, sehr schnell dann aber auch weltweit mit den Stigmatisierten. Unzählige Nutzerprofile wurden mit dem „ن“ hinterlegt, Hashtags – also Schlagworte – wie „WeAreN“ bündelten die Solidar-Gedanken: Wir alle sind ن. Wir alle stehen zueinander. Wir alle gehören zusammen.
Und auch „Der Ölbaum“ übernahm 2016 das scheinbar kollektiv genutzte Symbol als vermeintliches Zeichen der Solidarität. Hilin Prick, die als Alltags- und Integrationshelferin ganz nah an den Geflüchteten ist, wusste aber natürlich um den Unmut, den das Logo hervorrief. „Ich habe schließlich angeregt, das zu ändern“, erzählt sie. Der Designer setzte sich erneut hin, um ein Logo zu entwerfen, das ein positives Signal transportiert. So wich das „ن“ letztlich einem Symbol, das Christen wirklich vereint: Das Kreuz. Und auch im Logo der „Arabischen Christen in Wuppertal“, die dies wiederum auch als Facebook-Profilbild nutzen, findet sich das Kreuz als eines von mehreren aussagekräftigen Symbolen wieder. „Für das Logo haben wir in der Gemeinde Vorschläge gesammelt“, berichtet Hilin Prick. Die beinhalteten vor allem: „Eine Art Puzzle mit einer sehr opulenten Bildsprache, wie im orientalischen Raum ganz typisch“, so Christoph Schönbach. Er entwickelte schließlich ein Logo mit einer ganz klaren Bildsprache – auch der Ölbaumzweig ist hier wie auch im neuen „Ölbaum“-Logo integriert. „Den Ölbaumzweig habe ich beibehalten, da ich ja auch ihn in Anlehnung an die Bibel gewählt hatte.“
So hat zumindest dieser Blog das „ن“ überwunden; Solidarität umfasst eben auch die Rücksichtnahme auf kleine, aber bedeutsame Unterschiede.